Protokoll und Inputs der AG Architektursoziologie am 26.02.2007 in Frankfurt /Main
 
 

AG Architektursoziologie

Workshop am 26.02.2007 in Frankfurt am Main, organisiert von der Sektion Stadt- und Regionalsoziologie

TeilnehmerInnen :

Lothar Bertels (Fernuniversität Hagen); Markus Dauss (Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt); Heike Delitz (TU Dresden); Joachim Fischer (TU Dresden); Caroline Fritsche (TU Darmstadt); Monika Grubbauer (TU Wien); Michael Guggenheim (Universität Zürich); Stephanie Hering (Universität Basel); Christina Hilger (München); Sandra Huning (TU Berlin); Winfried Kaib (Aschaffenburg); Thomas Lampalzer (Wimpassing/A); Martina Löw (TU Darmstadt); Sven Martensen (Oldenburg); Peter Noller (TU-Darmstadt); Brigitte Petendra (TU Darmstadt); Andreas Pott (Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt); Marianne Rodenstein (Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt); Renate Ruhne (TU Darmstadt); Oliver Schmidtke (Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt); Herbert Schubert (Fachhochschule Köln); Simon Sontowski (Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt); Silke Steets (TU Darmstadt); Barbara Zibell (Leibniz Universität Hannover)

 

Protokoll: Silke Steets, Sandra Huning, Sven Martensen, Markus Dauss

 

Nach der Begrüßung durch das Vorbereitungsgremium (Martina Löw, Marianne Rodenstein, Herbert Schubert), nach einigen architektursoziologischen Anmerkungen zum Tagungsort – insbesondere dem AfE-Turm der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt (Marianne Rodenstein) – und nach einer Vorstellungsrunde folgt das erste Inputreferat.

 

Input 1

Herbert Schubert: Zu den Schnittstellen von Stadtsoziologie und Architektursoziologie

Nachdem bei der Dresdner Tagung im April 2005 verschiedene soziologische Theoriepositionen als Suchfolie für eine Bestimmung der Architektursoziologie gedient hatten, verwendet Herbert Schubert (Köln) nun stadtsoziologische Bezugspunkte zur Annährung an die Architektursoziologie bzw. zur Abgrenzung von Stadt- und Architektursoziologie.

In einer ersten Systematik stellt er drei Modelle zur Diskussion, die unterschiedliche Relationen zwischen Soziologie (allgemein), Stadt-, Raum-, Planungs- und Architektursoziologie formulieren:

In einem zweiten Schritt sucht er auf der Basis von Peter Saunders' Systematik der Stadtsoziologie und unter Bezug auf Manuel Castells' Unterscheidung zwischen einem „Raum der Ströme“ und einem „Raum der Orte“ nach Syntheselinien zwischen Stadt- und Architektursoziologie (orangefarbene Markierung).

Schnittstellen zur Architektursoziologie

An die formulierten Schnittstellen schließt Schubert folgende Fragen an:

(1) KULTURELLE FORM: Wie prägen soziale Institutionen die Materialität der Stadt?

(2) ÖKOLOGISCHE GEMEINSCHAFT: In wie weit bietet Architektur als Ausdruck und Medium städtischer Gemeinschaften neue Forschungsoptionen?

(3) SOZIALRÄUMLICHES SYSTEM: Welche Rolle spielt Architektur im Prozess der strukturellen Kopplung der städtischen Teilsysteme?

(4) RAUMEINHEIT DER KOLLEKTIVEN KONSUMTION: Wie schlägt sich die „strukturelle Schizophrenie“ (Castells) konkurrierender Raumlogiken in Architektur nieder?

 

In der Diskussion des Beitrages von Herbert Schubert wurden folgende Positionen vertreten:

Peter Noller plädiert unter Bezug auf die erste Systematik für ein offeneres Verständnis von Architektursoziologie, das die Architektursoziologie nicht unter eine Teilsoziologie subsumiere, sondern sie vielmehr als Wechselverhältnis zwischen Soziologie (allgemein) und Architektur begreife.

Barbara Zibell fragt nach der Reichweite von Architektur und sieht gute Argumente für Modell b), das die Architektursoziologie als Teil der Stadtsoziologie und diese als Teil der Soziologie (allgemein) skizziere.

Joachim Fischer und Heike Delitz fordern eine Entkopplung der Architektur- von der Stadtsoziologie. Sie sehen die Architektursoziologie vielmehr im Spannungsfeld von Kultur-, Artefakt-, Technik- und Stadtsoziologie und plädieren für eine Anbindung an die soziologische Theorie.

Martina Löw fragt, wie der Gegenstand der Architektursoziologie definiert werden könne und markiert zwei sie interessierende Fragen: a) Wie weit kommen wir, wenn wir die Architektur über die Stadt denken? und b) Was passiert umgekehrt, wenn wir die Stadt von der Architektur her denken?

Stephanie Hering überlegt, was eine Architektursoziologie überhaupt zu sehen im Stande sein müsse, und fordert eine Verständigung darüber.

Herbert Schubert sind Anwendungsbezüge der Architektursoziologie im Hinblick auf die Planungswissenschaften wichtig.

Markus Dauss macht darauf aufmerksam, dass Bauwerke – wie die Kunstgeschichte gezeigt hat – auch Theorien verkörpern, was ein Untersuchungsfeld der Architektursoziologie sein könne.

Marianne Rodenstein betont die Notwendigkeit eines Praxisbezugs: Gebautes erschließe sich auch über die Nutzerperspektive und die Evaluation von Gebäuden über ihre Nutzung.

 

Input 2

Marianne Rodenstein: Abgrenzung von Stadtsoziologie und Architektursoziologie

In ihrem Impuls-Referat erläutert Marianne Rodenstein (Frankfurt) die Abgrenzung zwischen Stadt- und Architektursoziologie anhand eigener stadtsoziologischer Zugänge. Sie betont die strukturtheoretische Perspektive der Stadtsoziologie, die die Produktion und Reproduktion der Stadt in ihrem gesellschaftlichen Kontext fokussiert, und versteht Stadtentwicklung als Teil gesellschaflichter Entwicklung. Demnach sind lokale soziale Bewegungen ebenso wie ökonomische Interessen treibende Momente solcher Entwicklungen, die über lokale politische Systeme vermittelt werden.

Fragen, die Marianne Rodenstein in diesem Zusammenhang beispielhaft stellt, sind:

(1) Warum ist Frankfurt/Main die einzige deutsche Stadt mit einer Skyline?

Hochhäuser sind als gesellschaftliche Konstrukte zu verstehen, die in einem Zusammenspiel von Architektur, Politik, Medien, Bürgerinnen und Bürgern etc. entstehen. Eine Vielzahl von Handlungslogiken trifft aufeinander. Zu den Kategorien, die hilfreich bei der Beschreibung sind, zählt neben dem Gebrauchs- und Tauschwert auch der Symbolwert. Ein architektursoziologischer Zugang könnte hier das Erklärungsspektrum erweitern, indem technische und architektonische Besonderheiten und Zusammenhänge berücksichtigt werden.

(2) Wie sind die zunehmenden Bürgerinitiativen zur Stadtästhetik zu verstehen?

Zu beobachten sind lebhafte Diskussion zum Wiederaufbau historischer städtebaulicher Ensembles (z.B. Berliner Stadtschloss, Dresdner Frauenkirche) oder zum Erhalt historischer Stadtsilhouetten (auf europäischer Ebene z.B. Wien, München, Köln, London, St. Petersburg). Es stellt sich die Frage, welcher Bezugsrahmen zur Beschreibung neuer ästhetischer Bedürfnisse zur Verfügung steht bzw. entwickelt werden kann. Dieter Hassenpflug habe die Abkehr von funktionalen Raumbildern konstatiert; wie ist es dazu gekommen? Eine Erklärung liegt sicherlich in einem Wandel von Subjektkonstitutionen, dies scheint jedoch nicht ausreichend. Dagegen stellt Marianne Rodenstein die These auf, dass Strukturumbrüche dazu geführt haben könnten, dass heute auch andere als funktionale Interessen Gehör finden. Eine wichtige Frage lautet, ob diese Diskussionen rückwärtsgewandt sind oder vielmehr eine sinnvolle Korrektur der Globalisierung des Kapitals darstellt (Geschichte und lokale Tradition als städtische assets ). Die Kritik an der postmodernen Architektur müsse auch die moderne Architektur hinterfragen.

Marianne Rodenstein stellt abschließend mehrere analytische Zugänge auf einer Ebene nebeneinander:

 

In der Diskussion fragt Heike Delitz, ob Architektursoziologie den ökonomischen und politischen Rahmen außer acht lassen könne. Das Beispiel der Dresdner Frauenkirche zeige, dass dieser sehr wohl eine Rolle spielt.

Joachim Fischer würde aus den Ausführungen noch radikalere Konsequenzen ziehen als Marianne Rodenstein selbst: Das zweite von ihr genannte Beispiel müsse zu einer grundlegenden Infragestellung der Soziologie und der Modernisierungstheorien, die z.T. für Funktionalismus verantwortlich seien, führen. Die kulturelle Dimension sei vernachlässigt worden, dabei handele es sich hier nicht um ein Überbau-, sondern um ein konstitutives Phänomen. Soziologie müsse so angelegt werden, dass die kulturelle Dimension immer mitgedacht werde.

Marianne Rodenstein erläutert, ihr erscheine die Subjektkonstituierung bei Gerhard Schulze oder Pierre Bourdieu hilfreich. Bemerkenswert sei, dass sich heute Bevölkerungsgruppen in die stadtästhetischen Diskussionen einmischen, denen gemeinhin nachgesagt werde, sie hätten „keinen Geschmack“.

Monika Grubbauer weist auf die Bedeutung der medialen Vermittlung über (Vor-)Bilder hin.

Oliver Schmidtke führt das Beispiel der Rekonstruktion eines Teils der Frankfurter Altstadt an.

Martina Löw hält einen empirischen Zugang zu den Diskussionen um historische Bauten für notwendig: Um welche Milieus handelt es sich? Sind Milieuansätze hier überhaupt geeignet? Altstadt könne als ein Teil bzw. spezifischer Raumtypus der Moderne verstanden werden – ein Moment globalisierender, nicht widerständiger Raumplanung – und diene anderen Raumtypen als eine Art identitätsgesättigter Kern der Entlastung. Die deutsche Sonderrolle müsse ebenso berücksichtigt werden wie Unterschiede zwischen den Städten, um die Bedeutung des lokalen Kontexts zu ermitteln.

Stephanie Hering empfiehlt die diskursanalytische Perspektive, um die Globalisierungsrhetorik und Reaktionen darauf zu verstehen und gemeinsame Linien zu identifizieren.

Peter Noller hält es für eine interessante Frage, weshalb eigentlich Moscheen das Stadtbild stören. Das Argument sei hier häufig zumindest, dass das Gebäude nicht passe, seltener die Funktion.

 

Input 3

Martina Löw: Überlegungen zu Perspektiven der Architektursoziologie

Martina Löw (Darmstadt) erinnert zunächst daran, dass sich im Verlauf der 1970er Jahre die Debatten um Architektur aus denen um die Denkmalpflege herausgelöst hätten. Während sich erstere Fragen der Bildlichkeit zugewandt hätten, konzentrierten sich die letzteren auf die Substanz bzw. Materialität der gebauten Objekte. Zum selben Zeitpunkt sei die Architektur aus dem Fokus der Soziologie geraten und die Architektursoziologie – bzw. das Fragen nach dem Zusammenhang zwischen sozialem Handeln und der gebauten Umwelt – zu einem „randständigen Bereich“ geworden.

Löw stellt Architektursoziologie als einen „Trias“ aus den Feldern „Materialität“, „Bildproduktion“ und „(soziales) Handeln“ dar, das sie hier auf die Herstellung von Architektur eingrenzt. In diesem Zusammenhang weist Löw weiter darauf hin, „wie dominant die Bildproduktion in der Architektur mittlerweile geworden“ sei, auch konzentriere sich die öffentliche Debatte über Architektur auf den Planungsprozess. Dagegen blende der Diskurs die subjektive Erfahrung von Architektur („Wie fühlt sich das Gebäude an?“) aus.

Die schwache Stellung der Architektursoziologie führt Löw vor allem darauf zurück, dass die Soziologie an der Fähigkeit kranke, Bilder und Materialitäten zu analysieren (Verweis auf Hans Linde 1972). Ihr Vorschlag für eine Aufstellung der Architektursoziologie betont – als Schluss aus dieser Diagnose – zwei Ziele:

(1) Insofern sich Architektur als „materielle Infrastruktur der Gesellschaft“ auffassen lasse, zeige die Beschäftigung mit den Materialitäten den klaren Bezug zur Techniksoziologie. In der Soziologie seien dabei mit den Konzepten von Giddens („Das Moment der Strukturierung“) und von Bourdieu („Objektivierte Verhältnisse“) zwei Pole erkennbar, die sie im Latourschen Sinne jedoch als Einheit zusammenfasst. Die Architektursoziologie sei von daher von einer Doppelperspektive gekennzeichnet. Löw fordert in diesem Zusammenhang eine theoretische und empirische Neuformulierung dieser Doppelperspektive (Architektur als Resultat von und Zwang zum Handeln). Beispielhaft könne untersucht werden, ob es einen Unterschied mache in einem Fachwerkhaus oder in einem Hochhaus zu wohnen bzw. in Chicago oder Paris. Insofern die Stadt über Raumfragen entworfen werde, müsse die Forschung dazu aus Ihrer Sicht von der Frage geleitet sein, wie Räume materielle Formen zur Realität bringen. Damit müsse auch die Stadtsoziologie überdacht werden. Löw plädiert daher dafür, Architektursoziologie und Stadtsoziologie gemeinsam aus der Raumperspektive heraus zu entwickeln und nennt beide „sozial konstruierte technische, materialisierte Gefüge, die nicht nur Ergebnis von und Zwang zur Praxis sind, sondern – auf Grund verschiedener Materialitäten – Praxis auch different formen“.

Die Frage nach den Bildern werde nach Löw interessant vor dem Hintergrund der Bedeutung visueller Konsumtion – und damit auch Konzeptualisierung! – von Städten. Beispielsweise werben touristische Unternehmen heute mit Darstellungen des Fotografierens, das damit als Mittel (individueller) Raumerschließung herausgestellt werde, während Modi der Bildproduktion unbeleuchtet bleiben. Daraus leitet Löw zwei Handlungsfelder für die Architektursoziologie ab: Erstens die Überlagerung von Bild und Architektur, und zweitens die Ausdifferenzierung der Orte durch Bilder.

 

Die anschließende Diskussion eröffnend und in Zustimmung zu den Ausführungen Löws plädiert Heike Delitz dafür, Bewegungsweisen und damit die körperliche Dimension von Architektur stärker zu fokussieren. Auch unterstreicht sie die Bedeutung des Herstellungsprozesses von Architektur.

Markus Dauss versucht bereits eine Synthese des Löwschen Dualismus, indem er auf die Verschränkungen zwischen Bild- und Körperdimensionen durch Ikonisierungsverfahren aufmerksam machte Diese werden seiner Meinung nach die „Dialektik von Optik und Performativität“ auflösen (können).

Michael Guggenheim wies darauf hin, dass Menschen in Architekturabbildungen (Fotos, Zeichnungen) erst ab den 1960er Jahren auftauchen und als Teil der Gesamtkonzeption („mitgedacht“) werden. Mit Beschriftungen als Zusatz zum reinen Bild werde zudem erst seit der zunehmenden Umnutzungspraxis von Gebäuden gearbeitet, da Gebäude ihre aktuelle Nutzung durch ihre äußere Gestalt oft nicht mehr erkennen ließen. Daher dürfe die Untersuchung der„Stereotypenbildung“ (Dauss) nicht weiter von der (architektur-) soziologischen Theorie vernachlässigt werden.

Stephanie Hering trägt als Ergänzung dazu bei, dass die Simulationspraxis einen hohen Anteil an der Produktion von Architekturbildern habe und dass auf diese Weise, durch „Bilder des Unechten“ (Martensen), Erwartungen erzeugt würden.

Joachim Fischer versucht, die Ausführungen Löws zu rekapitulieren und auf ihren Beitrag zur Positionsbestimmung der Architektursoziologie hin zu befragen. Er stellte dar, Löw formuliere eine zweistufige Abgrenzung der Architektur- von der Stadtsoziologie, indem sie die hohe Bedeutung der Bildlichkeit für Architektur – im Vergleich zur Stadt – herausstelle. Wie die massenhafte Produktion von Postkarten seit Beginn des 20. Jahrhunderts belege, sei dies jedoch nicht neu und habe spätestens in der modernen Architektur eine zentrale Position eingenommen. Die Eigenlogik der Architektur sieht er in Abgrenzung dazu vielmehr in ihrer „Schwere“. Er schlägt vor, diese durch die Ästhesiologie stärker zu erforschen.

Martina Löw antwortet darauf, indem sie mit Verweis auf Boyer deren dreiphasige Betrachtung von Architektur darstellt (Gebäude, Panorama, historischer Rückblick).

Monika Grubbauer vermutet einen Grund für die Bedeutung der Bildebene darin, dass gerade heute viele Inhalte verbal nur äußerst komplex zu vermitteln seien. Bilder seien hier leistungsfähiger, was für ihren Einsatz (und Vorzug) spreche.

Barbara Zibell pflichtet Löw bei und fordert ebenfalls dazu auf, die materielle und die visuelle Ebene „ in der architektursoziologischen Theorie zu integrieren“.

Andreas Pott widerspricht Löws These, dass Materialitäten Handlungen vorformten. Weiter sieht er Bildlichkeit nur als einen Aspekt von Wahrnehmung an. Seiner Ansicht nach müssen stattdessen die Modi, wie Wahrnehmung (von Architektur) erlernt werde, wie „Anleitungen zum Lesen“ angelegt werden, mehr in den Fokus genommen werden.

Einen Vorschlag, Bildlichkeit und Materialität „gemeinsam zu denken“ macht Peter Noller, indem er die Kategorie des Mediums in die Diskussion einführt, das „so oder so“ ausfallen könne. Diesen Ansatz weitergedacht, ließe sich Architektur dann „wie ein Text lesen“.

Dass die Betrachtung von Architektur in die „Bildlichkeit umkippe“, sieht Markus Dauss bereits für den Zeitpunkt um etwa 1800 als gegeben an. Er verweist hierzu auf Hegel, der sich ausgiebig geäußert habe. In Übereinstimmung mit Noller sah auch Dauss Bildlichkeit als nur ein Konzept der Medialisierung von Architektur an.

Herbert Schubert formuliert daraufhin zwei Fragestellungen, die er als zentral für die weitere theoretische Arbeit bewertet: Erstens, wie Bildlichkeit von Materialität abzugrenzen sei, und zweitens, ob es Sinn mache, Architektursoziologie weiter auf einer abstrakten Ebene zu betreiben oder „einzelne, konkrete Architekturen“ zu besprechen.

Martina Löw nimmt abschließend noch einmal Bezug auf das „Problem der Strukturierungskraft“ von Architektur und zeigt, dass sich in der soziologischen Theorie hierzu zwei Positionen herausgebildet hätten: Die marxistische Schule, die diese Kraft anerkenne, und die systemtheoretische, die sie übergehe. Den Grund für die aktuelle Bedeutung der Architektursoziologie sieht sie in der prekären Arbeitsmarktlage in der Architektur, und zwar indem sie ihr die Kompetenz unterstellt, diese Krise zu bewerten und aufzulösen.

 

Schlussdiskussion

M. Dauss regt eine pragmatische Abgrenzung von Architektur- und Stadtsoziologie über die Differenz verschiedener Objektbereiche an, die auf konsensuellen Alltagsdefinitionen beruhe, die in der Rede von Architektur und Stadt immer mitgeführt werden; er bringt weiter die Vorbildfunktion von Michel Foucault ein, der in Les mots et les choses ein Velazquez-Gemälde auf die dort implizierten Subjektpositionierungen, Raumkonzepte, institutionellen Verortungen und antizipierten Praktiken unter Berücksichtigung komplexer Innen-Außen-Verschachtelungen hin analysiert und damit eine mustergültige Überblendung von Werkanalyse auf autonomer Basis und kontextuellem Bezug vorgelegt habe.

M. Rodenstein und B. Zibell sehen die Tauglichkeit eines konsensuellen Alltagsbegriffs der Gegenstände sehr skeptisch, da er simplifizierend sei und Konsens häufig eine fiktionale Größe darstelle. Der Gegenstandsbereich der Architektursoziologie sei zudem grundsätzlich nicht präexistent, sondern umkämpft und ebenen- bzw. sektorenabhängig.

J. Fischer und H. Delitz machen sich gegen eine zu enge Verbindung der Architektursoziologie mit der Stadtsoziologie stark und fordern die Einbindung der Artefakt-, Technik- und einer zumindest teilweise noch zu entwickelnden Kreativitätssoziologie bei der Schaffung einer relativ autonomen, aber anschlussfähigen Architektursoziologie.

In der weiteren Abstimmung wird die Position bekräftigt, dass die Architektursoziologie weiterhin in der Kultursoziologie eingebettet bleiben solle, deren Sektion sich in der DGS als Theoriemotor erwiesen habe, und in der Stadtsoziologie, die traditionell die zentralen Theoriereferenzen des Raums und des Ortes repräsentiere. Zugleich wird im Plenum die Notwendigkeit betont, die Selbstfindung – d.h. eigenständige Positionierung und Profilierung – der Architektursoziologie zunächst intern – in einer ‚relativen Autonomie‘ von den beiden Sektionen voranzubringen. Dies dürfe kein Rückzug sein, sondern impliziere die Öffnung zu anderen soziologischen Arbeitsfeldern hin. Es müsse auf die Produktivität für planerische Arbeitsfelder und auf die Integration einer geeigneten Empirie hingearbeitet werden. Die Integrationskraft der Architektursoziologie sei hinsichtlich unterschiedlicher Niveaus in Syntheseleistung und verschiedener Geschwindigkeiten der theoretischen Integrationsprozesse auszudifferenzieren.

 

Beschluss

M. Löw leitet zur organisatorischen Aussprache über, da die Abgrenzungsfragen der Architektur- und Stadtsoziologie eine starke institutionelle Dimension aufweisen.

Die Anwesenden beschließen, die AG, die bisher den Status von zwei kleinen institutionalisierten Arbeitsnetzwerken der Sektionen Stadtsoziologie und Kultursoziologie inne hat, zu einer „Arbeitsgruppe Architektursoziologie in der DGS“ ‚upzugraden‘. Nach der Satzung der DGS sind Sektionen formal für die Pflege und Erfüllung wissenschaftlicher Aufgaben verantwortlich; Arbeitsgruppen bilden demgegenüber ein informelles Instrument , um interferente wissenschaftliche Aufgaben zu bündeln.

Die „Arbeitsgruppe Architektursoziologie“ soll von der DGS als Gremium formal anerkannt werden und sich zwischen den schon bestehenden Sektionen Stadtsoziologie und Kultursoziologie verorten. Von den Anwesenden wird bekräftigt, dass die Gründung einer eigenen Sektion nicht angestrebt wird. Ziel sei eine verbesserte Kommunikations- und Informationspolitik zwischen den kleinen Sektionsnetzwerken.

H. Delitz und H. Schubert werden gebeten, den Prozess der Anerkennung durch die DGS zu initiieren und zu koordinieren. Eine Absprache mit Protagonisten wie B. Schäfers sei wünschenswert.

 

Terminplanung

Mit Blick auf die Fortsetzung des Prozesses werden Themen für ein nächstes Treffen der AG Architektursoziologie gesammelt; die Vorschläge sind: (a) Materialität und Bildlichkeit; (b) Architektursemiotik; (c) Ökologie und Architektur; (d) Rekonstruktion – Fake-Architektur – Geschmack; (e) Wandel/Spaltung der urbanen Form; (f) Methoden der Architektursoziologie.

Als nächstes Projekt wird für den 25. / 26. 02. 2008 eine Tagung in Darmstadt (Vorbereitung Institut für Soziologie der TU Darmstadt) geplant, die die Polarität von Materialität und Bildlichkeit der Architektur in den Fokus stellt. Die Eigenlogik der Architektur soll bei der Ausdifferenzierung einer Architektursoziologie vertieft betrachtet werden. Dabei soll explizit die Methodenfrage (Bildhermeneutik etc) einbezogen werden.

Die in der Diskussion zu Tage getretene gesellschaftstheoretische Debatte um die „Ästhetisierung der Städte“ im Rahmen von Rekonstruktion und neuen urbanen Formen erhält zwar nicht die Priorität, soll aber für eine weitere Tagung im ‚Themenspeicher‘ verbleiben.